Zu Beginn der Corona-Krise habe ich darüber berichtet, wie Führung in Krisenzeiten gelingen kann und dazu u.a. wertvolle Praxiserfahrungen eines krisenerfahrenen Managers geteilt.
Wie können Werte dabei helfen? Zum Thema mit Werten führen in der Krise habe ich mit Dr. Franz Josef Konert von der GELITA AG gesprochen. In dem interessanten Interview erklärt uns der CEO des führenden Gelatine-Herstellers, welche Werte dem Unternehmen, aber auch den Mitarbeitern persönlich durch die Krise geholfen haben.
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Das Thema ist ja „mit Werten führen in der Krise“. Welche Werte haben Ihnen persönlich und dem Unternehmen in der Krise geholfen?
Also an erster Stelle erstmal das Vertrauen – mir persönlich und die Fähigkeit, dass man auch dieses managen kann und meistern kann. Vertrauen war ganz wichtig, aber auch den Menschen eben zu ermutigen, dass wir, soweit es geht, Sicherheit am Arbeitsplatz haben. Dass sich die Menschen hier nach Möglichkeit nicht anstecken können. Dass wir Hygienevorschriften einhalten, dass wir all die Dinge, die auch vorgeschrieben waren, einhalten. Und toi toi toi: bis heute haben wir in Deutschland nirgendwo einen Fall gehabt, was ja schon mal gut ist.
Man spürt auch, die Menschen halten sich daran. Sie halten die anstrengenden Hygienevorschriften ein. Und was dem Unternehmen und den Mitarbeitern auch geholfen hat, ist sicherlich Empathie. Zu verstehen in welcher Situation jeder einzelne war, die für uns alle neu war. Ich persönlich habe noch keine Pandemie erlebt, das war auch meine erste, und ich hoffe, das bleibt auch in meinem Leben meine einzige. Das ist für mich auch eine komplett neue Erfahrung. Jeder einzelne hatte die zuhause in der Familie, die Ängste, die auftreten. Die Risikogruppen, die ja irgendwo jeder hat. Großeltern hat ja fast jeder. Und eben dass man da versucht hat, da zu trennen und die Menschen zu schützen.
Ich glaube, diese Ängste waren groß, die waren bei jedem einzelnen und in der Firma kommen die natürlich alle zusammen. Ich glaube, die Menschen haben sehr schnell gemerkt, dass wir das verstehen, dass wir die Empathie haben, was die Menschen bewegt. Und dass wir eben auch versucht haben, ihnen zu helfen, indem wir gesagt haben, die Risikogruppen können zuhause bleiben und ihr müsst keine existenzielle Angst haben. Euer Arbeitsplatz ist sicher und euer Einkommen ist sicher. Wir schicken euch nicht in Kurzarbeit.
Das mussten wir dankenswerterweise nicht, weil unser Geschäftsmodell doch sehr robust ist. Gelatine wird in der Lebensmittelindustrie, aber auch in der Pharmaindustrie nachgefragt und somit war die Schwierigkeit mehr, die Lieferketten aufrechtzuerhalten, um produzieren zu können. Weniger die Nachfrage nach den Produkten. Wir sind ja auch als sogenannter systemrelevanter Betrieb eingestuft worden, da wir eben Lebensmittel- und Pharma-Vorlieferant sind. Die Schwierigkeit war eben, wie gesagt, die Lieferketten zu bedienen und nicht, Absatzmärkte zu finden. Die Nachfrage von den Kunden war da, die ist da, und insofern sind wir auch wirtschaftlich, glaube ich, sehr gut gefahren durch die Krise.
Aber es war eben neu für alle. Dieses exponentielle Wachstum zu Beginn zu sehen, die Bilder aus Italien, Spanien, und Frankreich teilweise zu sehen. Das macht schon Angst, also das war schon beängstigend, das zu sehen. Wenn eben Gesundheitssysteme nicht so gut sind wie unser deutsches, was zwar immer schlechter geredet wird, als es wahrscheinlich in Wirklichkeit ist. Das schürt Ängste und diese Ängste haben alle Menschen erlebt. Wir haben auch alle eine komplett unsichere Situation, und wie geht man damit um? Das ist kein Wert, aber zu kommunizieren, den Menschen offen mitzunehmen und permanent zu sagen, wo stehen wir, was haben wir vor, warum tun wir das, usw. Und sie eben offen zu informieren. Ich glaube, das gibt dann auch ein Stück weit mehr Sicherheit oder reduziert die Angst.
Von den Werten trust, courage, passion, commitment, empathy und care, welche Werte oder welcher Wert hat den Unterschied für die Mitarbeiter gemacht – zu Beginn oder vielleicht auch jetzt?
Ich glaube schon, Empathie und Care, also das Gefühl zu haben, dass man sich um unsere Gesundheit sorgt. Das ist nicht nur so ein Slogan, nach dem Motto, viele sagen das, aber die Arbeitsbedingungen schauen dann anders aus. Wenn die Menschen spüren, dass das ernst gemeint ist, dann entsteht auch Vertrauen. Vertrauen ist das Ergebnis dieser Aktionen oder der Maßnahmen, die wir tun.
Wie hat sich care ausgedrückt für die Mitarbeiter?
Zum einen, dass wir jedem die Möglichkeit gegeben haben, im Home Office zu arbeiten. Der zweite Bereich war, dass wir gesagt haben, mögliche Risikogruppen bleiben zuhause. Selbst wenn ich persönlich kein Risikopatient bin, aber ich jemanden zuhause in meinem Haushalt habe, Menschen, die risiko-erkrankt sind oder auch vom Alter her. Die können zuhause bleiben. Sehr schnell war klar, es sind keine Kurzarbeit oder andere Maßnahmen notwendig. Wir brauchen keine staatlichen Unterstützungsprogramme, weil der Absatz eigentlich intakt war und wir auch. Das haben wir auch kommuniziert, dass wir sehr gut durchfinanziert sind, also auch keine Finanzprobleme haben. Es war den Mitarbeitern sehr schnell klar, wir haben zwar alle Krise, ja, wir haben auch Krisenmodus, aber das Unternehmen ist gesund, es ist gut intakt und es wird hier bei GELITA nicht meine Existenz gefährden. Ich glaube, dieses Gefühl hat den Menschen eben auch sehr viel Sicherheit gegeben.
Haben Sie Reaktionen oder Feedback von den Mitarbeitern auf Empathie und Care bekommen?
Ja. Wir haben nach einigen Wochen, 8 oder 10 Wochen, Emails von einzelnen Kolleginnen und Kollegen erhalten, die sich beim Vorstand bedankt haben, wie sicher wir das Unternehmen durch die Krise steuern. Es gab auch eine Bildshow, wo unterschiedliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Werken eine Diashow gemacht haben, die sie uns dann geschickt haben und sich bedanken für das Engagement. Für die Sicherheit. Dafür, dass wir immer ansprechbar waren. Dass sie nie Angst haben mussten. Die offene Kommunikation, dass wir sie mitgenommen haben. Also das war schon sehr berührend zu sehen, dass das, was wir wollten, dass es die Menschen wahrnehmen, auch bei den meisten so angekommen ist. Das haben sie uns auch widergespiegelt. Das war ein sehr schönes Erlebnis, muss ich sagen.
Gibt es da etwas Besonderes, das Sie berührt hat?
Die Offenheit und die Ehrlichkeit, mit der sie uns das widergespiegelt haben. Dass sie uns vertrauen, dass wir sie bisher sicher geführt haben und auch das Vertrauen, dass wir sie auch weiterhin in der Zukunft sicher führen werden.
Viele haben in den vergangenen Wochen im Homeoffice gearbeitet und haben da dann mehrere Rollen. Sie sind ja nicht nur Mitarbeiter, sondern auch in der Rolle des Lehrers, wenn Kinder da sind, Vater, Mutter und so weiter. Was kann man denn von Kindern für den persönlichen Führungsstil lernen?
Was man wirklich lernen kann, wo man sagen muss, das ist positiv: Kinder haben noch eine relativ hohe Anpassungsfähigkeit. Sie gehen sehr flexibel, also unsere Tochter zumindest, aber auch ihre Freundinnen usw., mit der neuen Situation um. Sie haben sich sehr schnell, sehr flexibel, dieser neuen Situation angepasst und Wege gefunden, die Kommunikation aufrechtzuerhalten, um schulisches Lernen, sich abzustimmen, Arbeitsgruppen zu bilden. Da mussten meine Frau oder ich jetzt nicht großartig unterstützen. Weil das haben die sehr schnell selbst herausgefunden.
Also die Anpassungsfähigkeit in der Veränderung eigentlich.
Ja. Die wurde gar nicht thematisiert, die wurde einfach organisiert.
Würden Sie die Anpassungsfähigkeit höher einschätzen als bei einem Erwachsenen?
Ja, ich glaube schon, weil wir Erwachsene immer wieder in den gewohnten Lebensstrukturen sind. Weil wir auch älter sind wahrscheinlich und entsprechende Verhaltensmuster im Kopf haben, und die erst mal nicht in Frage stellen. Und Kinder stellen die, glaube ich, sehr schnell gar nicht in Frage, die stellen sich die Frage glaube ich gar nicht. Die handeln einfach.
Das ist interessant. Sie haben ja die Werte Mut, Empathie und Care. Wie geht denn das zusammen?
Also ich glaube schon. Es ist ja auch immer Mut dabei. Wir sind ja weiterhin auf Kurs, wir haben z. B. keinerlei Kürzungen von Budgets usw. gemacht. Wir glauben an die Zukunft, wir glauben an die Richtigkeit unserer Maßnahmen und das ist ja auch Mut, in einer Krise diese nicht in Frage zu stellen, sondern auch weiterhin darin zu investieren. Und man muss auch in den Dingen, die man tut, mutig sein.
Aber ich glaube, man muss heute eben die Risiken auch abschätzen, die damit verbunden sind. Das sind so banale Dinge wie: Lassen wir unsere Leute reisen? Reisen sind ja wichtig. Wir haben die Einschränkungen. Es gab ja natürlich die Phasen, wo wir uns gar nicht bewegt haben, außer von zuhause ins Büro und umgekehrt. Aber das lässt ja nach, der Lockdown ist ja da und es kommen ja erste Reisen und auch Meetings. Da wägen wir schon ab, macht das jetzt Sinn oder ist das opportun? Ob wir das Meeting präsenzmäßig machen oder gehen wir noch ein zu großes Risiko ein? Da haben wir uns bisher eben sehr oft dafür entschieden, es den Kollegen freizustellen. Wir bieten Präsenz, aber wer nicht will, kann auch digital dazukommen. Es gibt also keine präsenzpflichtigen Meetings.
Bei vielen Entscheidungen muss man, wir wollen weiterhin mutig sein, nach vorne gehen, neue Dinge tun. Aber heute wägt man natürlich ab, wie sind die Risiken in der Krise, die man damit hat? Damit meine ich gesundheitliche Risiken, weniger jetzt geschäftliche Risiken, die muss man immer abwägen, aber schicken wir da Mitarbeiter in Situationen, wo sich der Mitarbeiter entsprechend einer Gefahr aussetzt. Und das wollen wir natürlich in keinster Weise. Deswegen besteht auch das Prinzip der Freiwilligkeit.
Und das zeigt auch noch mal, durch Care, so eine Selbstfürsorge. Sie für sich, Sie fürs Unternehmen, aber jeder auch wieder für sich.
Ja. Ich für mich habe die Entscheidung getroffen, ich würde mich im Moment nicht in die USA oder nach Brasilien bewegen. Weil ich das Risiko für mich persönlich als für zu groß einschätze. Und würde auch niemandem erlauben, beruflich dahin zu fahren. Wenn einer natürlich sagt, ich will jetzt nach Acapulco privat und will da meinen Urlaub verbringen, dann ist das sein Risiko. Aber ich würde natürlich sagen, 14 Tage, wenn du wiederkommst, lässt du dich hier im Unternehmen nicht mehr sehen. Also es ist immer wieder die Abwägung, was ist auch partout nötig.
Es heißt ja „mit Werten führen in der Krise“. Das war eine Idee für mich, nicht nur in der Krise, sondern auch so mal zu überlegen, was mit Werten den Unterschied macht. Wie geht es Ihnen persönlich damit, diese Wertebasiertheit zu haben? Macht das für Sie einen Unterscheid zu früher?
Nein, ich glaube, viele dieser Dinge tut man inhärent. Das tut man, weil es dem eigenen Wertesystem entspricht. Also ich glaube nicht, dass ich mich anders in einem anderen Unternehmen verhalten würde, was vielleicht andere Werte hat. Das sind einfach persönliche Dinge, wo man sagt, ich kann erstens von meinen Mitarbeitern nichts erwarten, was ich nicht selbst auch tun würde. Wenn ich mich selbst nicht in Gefahr bringe, darf ich auch meine Mitarbeiter nicht in Gefahr bringen. Dass wir als Führungskräfte oder Unternehmer Verantwortung für diese Menschen haben, dass wir ihnen helfen müssen in einer Krise. Das ist, glaube ich, normal.
Die Menschen haben Angst um ihre Gesundheit an erster Stelle und an zweiter Stelle um ihre Existenz, ihren Arbeitsplatz. In dieser Krise haben so viele Menschen ihre Existenz teilweise verloren oder sie ist bedroht. Das war so brutal, wie ich das auch noch nie erlebt habe und ob das jetzt Gastronomen waren, jeder hat in seinem Umfeld Menschen oder kennt Menschen, die darunter leiden. Und das ist so brutal, weil die Menschen wollen arbeiten, die hatten alle einen Job, die konnten davon leben und plötzlich ist denen die Existenzgrundlage weggezogen worden. Neben der gesundheitlichen Angst, die noch hinzu kommt.
Ich glaube, da konnten wir, zumindest für unsere Mitarbeiter, ihnen ein bisschen mehr Sicherheit, was ihre Existenz angeht, geben. Die Gesundheitsängste haben wir auch versucht zu reduzieren. Aber jeder reagiert hier unterschiedlich. Es gibt Menschen, jüngere, die sagen, es geht mich gar nichts an und es gibt ältere, die vorsichtiger sind. Da gibt es die ganze Bandbreite an Reaktionen.
Herzlichen Dank für das Interview!
Dr. Franz Josef Konert ist Vorstandsvorsitzender Marketing/Vertrieb/Forschung und Entwicklung (CEO) der GELITA AG mit Sitz in Eberbach. GELITA ist der weltweit führende Hersteller von Gelatine, Kollagenpeptiden und Kollagen für Lebensmittel, Nahrungsergänzung und pharmazeutische Produkte sowie für zahlreiche technische Anwendungen. Wo GELITA überall drin steckt, können Sie sich hier anschauen.
Tipp: Besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit tragen Führungskräfte große Verantwortung. Simon Sinek erklärt, was gute Führungskräfte ausmacht – sie sollen Mitarbeitern in Veränderungen Sicherheit geben und Vertrauen schaffen. Den TED Talk dazu finden Sie hier.