Im letzten Blogbeitrag habe ich mit Rainer Berthan, Vorstandsvorsitzender der Bauerfeind AG in Zeulenroda-Triebes und krisenerfahrener Manager, zu seinen Praxiserfahrungen im Krisenmanagement befragt. In diesem zweiten Teil des Interviews geht es um den konkreten Umgang mit der Krise.
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Wir haben bis jetzt über diese Phasen einer Krise gesprochen: Das Nicht-Wahrhaben-wollen und das Realisieren. Welche Phase kommt denn danach?
Danach beginnt im positiven Fall das planmäßige und methodische Abarbeiten einer Krise. Manche erreichen diesen Zustand allerdings nie. Der Schlüssel liegt hier im einem Ereignis, den ich als Columbus-Moment bezeichne. Jemand muss die Führung glaubhaft übernehmen. Diese Person muß ein Bild von der Zukunft glaubhaft und überzeugend vermitteln können. Obwohl die Zukunft zu diesem Zeitpunkt kaum vorhersehbar ist.
Hier will ich kurz einhaken: Was bedeutet dieser Columbus Moment?
Der Columbus-Moment tritt in einer Phase auf, in der der Orientierungsbedarf der Mitarbeiter außerordentlich groß ist. Ich habe ihn so getauft, weil ich daran dachte, wie Columbus in der Mitte des Atlantiks in einer Flaute war. Seine „Team Members“, um das mal modern auszudrücken, „questioned his leadership“. Damals war das vielleicht noch etwas robuster, es hätte damit enden können, dass man ihn über Bord wirft oder am Mast aufknüpft.
Seeleute und Offiziere hatten in einer schwierigen Situation gegen ihn rebelliert und er musste Führung beweisen und Orientierung geben. Das tat er, indem er glaubhaft versicherte, er wüsste, dass dies der Seeweg nach Indien war. Das hat seine „Team Members“ überzeugt und sie folgten ihm wieder. Tatsächlich fanden sie aus ihrem Problem heraus, trafen auf Land, hatten wieder Wasser, Essen, Vitamine und keinen Skorbut. Viel später hat sich herausgestellt, dass das gar nicht Indien war. Für die erfolgreiche Führung der Schiffe war es nicht entscheidend!
Columbus verstand es eben in dieser schwierigen Führungssituation ein glaubhaftes Bild vom weiteren Weg und von der Zukunft vermitteln. Darauf kommt es in so einer Situation eben an!
Das planmäßige und methodische Abarbeiten einer Krise beginnt mit diesem Moment. Es kommt darauf an, dass es ein gemeinsames Bild der Zukunft und eine Vorstellung vom richtigen Weg gibt.
Ich sage, bildlich gesprochen, auch immer ganz klar, wo ich hinfahren möchte und wie ich mir die Zukunft vorstelle. Ich versuche in der Diskussion die Führungskräfte und Mitarbeiter dafür zu gewinnen und wenn ich später zurückblicke, kann es auch mal sein, dass wir woanders gelandet sind. Entscheidend ist, daß die Krise gemeinsam überwunden und der Weg aus der Krise gefunden wurde.
Wenn es in der Krise um die Zukunft geht, kann man meist nichts aus Analysen der Vergangenheit ableiten. Die strukturellen Veränderungen sind dafür viel zu schnell. Man ist ganz auf sich und ein paar Mitarbeiter im Umfeld angewiesen.
Manchmal blockieren sich Führungskräfte in so einem Moment selbst, weil sie nicht sicher wissen können, was die Zukunft bringt. Leider gibt es kein verlässliches Analysetool für die Zukunft. Es geht dann darum, seine Umgebung zu erkennen und zu bewerten. Da hilft Überblick, etwas Geschick im Umgang mit Menschen und Intuition. Und dann muss einem etwas einfallen!
Was könnte jetzt einer jungen Führungskraft helfen, wie sie in dieser Krise vorgehen sollte?
Die Situation akzeptieren wie sie ist und die Handlungsweise konsequent darauf abstellen.
Dann: Nicht in Meetings abtauchen, sondern Kommunikation aufbauen. Die notwendigen Informationen sollten schon die Chance bekommen, den Empfänger auch zu erreichen. Die wesentlichen Leute finden, die ich einbinden muss. Eine Idee von der Zukunft entwickeln und glaubhaft vermitteln.
Das gilt für Mitarbeiter, Führungskräfte und wichtige Kunden wie auch für Gesellschafter oder Bankenvertreter. Und das alles bei erheblicher Anspannung.
Was ist bei der Kommunikation in Krisen zu beachten – hast Du Tipps, was hast sich für Dich bewährt?
Besonders: Empathie-Verlust vermeiden! Bei Stress und großer Anspannung kann schon mal die Sensibilität verlorengehen. Die Kommunikation trifft dann nicht mehr den richtigen Ton und die Botschaft verliert ihre Wirkung.
Wer mit schwierigen Themen auf Mitarbeiter zugeht, muss die richtige Sprache finden. Sonst generiert er selbst den Widerstand, den er anschließend mit noch mehr Energie doch nur wieder überwinden muss.
Wie kommunizierst Du aktuell in der Krisensituation im Unternehmen? Was hat sich für Dich da bewährt?
Normalerweise mache ich sehr viele persönliche Termine, um mit den Mitarbeitern und Führungskräften oder den Belegschaftsvertretern direkt zu kommunizieren.
In dieser Krise ist das fast unmöglich. Jetzt mache ich alles per Telefon oder Videokonferenz. Das ist manchmal noch etwas ungewohnt, aber darauf muss man sich eben einstellen. In einer Telefonkonferenz mit 30 oder 40 Leuten muss man ganz anders organisiert sein. Da kann man nicht diskutieren wie sonst, das funktioniert nicht.
Neben der persönlichen Kommunikation: Was gibt es an medialer Kommunikation, was schickst Du raus?
Ich schicke – aus meiner Sicht – relativ hochfrequent überschaubare Botschaften. Nicht acht engbedruckte Seiten, sondern eine Seite mit den Top-Themen und einer persönlichen Ansprache.
Dabei geht es um die Dinge, die für alle wichtig sind. Kunden, Lieferfähigkeit, Erfolge, was ist uns wichtig und wer hat etwas Besonderes geleistet. Es ist ein gegenseitiges Versichern, dass man auf dem richtigen Weg ist und vorwärtskommt. Es schafft neues Vertrauen.
Du hast jetzt nicht explizit den Betriebsrat erwähnt. Was sind da Deine Empfehlungen?
Wenn es einen Betriebsrat gibt, muss man ihn von Anfang an mit einbeziehen. Meine Erfahrung mit Betriebsräten war stets positiv. Natürlich müssen Betriebsrat und Geschäftsführung unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden. Aber sie sind eben auch beide auf das gemeinsame konstruktive Handeln verpflichtet. Da gibt es Konflikte, Diskussionen und Lösungen.
Gibt es noch etwas, das Du jüngeren Führungskräften empfehlen würdest?
In schwierigen Situationen keine Versprechungen machen, um der unangenehmen Situation im Augenblick zu entfliehen. Wenn man die später wieder kassieren muss, wird es meist nicht leichter!
Was ist Deine Essenz, was ist absolut wichtig im Krisenmanagement?
Es ist absolut wichtig zu wissen, in welcher Phase ich gerade bin und was jetzt Priorität ist.
Genug zuhören und kommunizieren. Dahin gehen, wo die Dinge passieren.
Freiheitsgrade zum Einordnen und Strukturieren schaffen.
Ein Bild von der Zukunft entwerfen und glaubhaft vermitteln – und dann den Weg gemeinsam gehen.
Herzlichen Dank für das wunderbare Interview!
Hier geht es zu meinem Blogbeitrag über das Führungsbewusstsein des Krisenmanagers.
Die Bedeutung von Kommunikation zeigt auch dieser Blogbeitrag: „Wer versteht, vertraut“.