Werte sind wichtig. Und wenn der Mensch dabei noch im Mittelpunkt steht, wie wunderbar! Da mir Unternehmenskultur sehr am Herzen liegt, finde ich es super, dass immer mehr Unternehmen sich „Integrität“, „Respekt“ und „Mut“ auf die Fahnen schreiben. Solche Werte im Leitbild rücken die Mitarbeiter in den Mittelpunkt und signalisieren, dass dem Unternehmen das Menschliche viel bedeutet.
Doch ich frage mich auch: Warum tauchen gerade diese drei Werte bei so vielen Unternehmen auf? Ist das modern oder steckt da wirklich mehr dahinter? Seit längerem beobachte ich, dass Werte, die das Menschliche betonen, wahnsinnig inflationär verwendet werden. Integrität, Respekt und Mut werden im Werte-Business gerne genommen. Und ich frage mich, ob den Unternehmen bewusst ist, was das konkret für das Unternehmen und die Mitarbeiter bedeutet.
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Schöne Werte-Worte sind „in“ und gelangen oft automatisch ins Leitbild
Integrität, Respekt und Mut sind schöne Werte. Sie wirken, als seien sie einzigartig für das Unternehmen und vor allem für die Mitarbeiter gemacht. Vielleicht sind sogar den Mitarbeitern genau diese Werte wichtig. Doch wer hat sie gemacht? Wurde das Leitbild gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt? Oder wurden diese Werte „von oben“ ins Leitbild gehievt und durchgedrückt? Einfach weil sie gut klingen, um besser dazustehen oder zu erscheinen?
Das ist so, als würde man sein Haus mal neu anstreichen, aber nichts an der Bausubstanz machen. Natürlich ist es wichtig, wie man von außen wahrgenommen wird. Doch diese Außenwirkung ist nur davon getragen, dass sie auch von innen kommt. Wenn innen nicht gleich außen ist, merkt das der Mitarbeiter, und vor allem das merkt auch der Kunde.
Was hätten die Mitarbeiter gesagt, wenn man sie gefragt hätte?
Schauen wir doch mal genauer hin: Welcher Mitarbeiter kann tatsächlich von seinem Unternehmen sagen, dass sich die gegenwärtige Kultur durch Integrität, Respekt und Mut auszeichnet oder dass sie sich in diese Richtung entwickeln sollte? Was hätten die Mitarbeiter stattdessen gesagt, hätte man sie gefragt? Wie weit liegen das schöne Leitbild und die ehrliche Wahrnehmung auseinander?
Es gibt unterschiedliche Formen, Mitarbeiter bei den Unternehmenswerten einzubeziehen: von gar nicht bis ganz intensiv. Ein interessantes Beispiel findet sich in diesem Video mit Helmut Lind, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank München eG. Er macht sehr deutlich, worum es ihm bei der Leitbild-Entwicklung geht: Um Kohärenz zwischen Werten und Kultur, um die Übereinstimmung zwischen allen Beteiligten. Deshalb macht nicht der Vorstand das Leitbild, sondern alle werden einbezogen – trotz großer Ängste der Führungskräfte vor Kontroll- und Machtverlust.
Wie eine Werte-Entwicklung funktioniert, in der alle einbezogen werden, ist übrigens in diesem kostenlosen Whitepaper zur Kulturveränderung beschrieben.
Damit Wörter „leiten“ können, müssen sie den Menschen berühren
Werte sind perfekt, wenn sie den Einzelnen emotional treffen, sein Commitment stärken und seine Handlungen leiten. Wenn aber die Werte eines Unternehmens nicht das sind, was den Menschen wichtig ist, dann spürt das jeder, im Außen wie im Innen.
Im Außen hat es Auswirkung auf die Marke, das Image usw. Im Innen beeinflusst es das Engagement der Mitarbeiter. Denn nur wenn die Menschen leben können, was ihnen wichtig ist, sind sie gerne bei der Arbeit und finden Erfüllung.
Darüber hinaus sollten Werte auch so konkret sein, dass die Mitarbeiter sie mit Handlungen verbinden können. Beispielsweise: Wie führen wir unsere Meetings durch? Wie treffen wir Entscheidungen? Werte sollen auf Taten einzahlen.
Beispiel Integrität – was genau bedeutet dieser Wert?
Integrität ist ein Wort, das wir kennen, aber sehr speziell verwenden. Wenige Menschen behaupten von sich, dass sie Integrität als Wert haben, oder würden ihr Unternehmen als integer bezeichnen. Landläufiger sprechen die Mitarbeiter hier von Ehrlichkeit und ähnlichen Werten.
Trotzdem ist der Wert „Integrität“ gerade sehr verbreitet. Würde man fragen, an welchem Verhalten sich zeigt, dass dieser Wert gelebt wird – ich bin mir sicher, ganz unterschiedliche Werte würden unter Integrität subsumiert werden. Dann wird es für die Mitarbeiter schwer, diesen Wert als handlungsleitend zu begreifen. Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sind leichter zu packen, und ein beschreibbares Verhalten lässt sich dazu ganz einfach erstellen.
Am Ende ist wichtig, was hinten raus kommt – und was bleibt
Es gibt Werte, die klingen gut. Wenn Menschen sich diese Werte wünschen oder sich danach sehnen, dann ist es leichter, eine Verbindung dazu herzustellen und Lust darauf zu machen. Entscheidend ist, ob sie die Menschen berühren – und wirklich berühren!
Übrigens: Heute ist World Values Day! Ein guter Anlass, mal die eigenen Werte zu hinterfragen. Beispielsweise mit dem kostenlosen Personal Values Assessment des Barrett Values Centre. Der Test kann mir die Augen öffnen, welche Werte für mich handlungsleitend sind – ganz abseits von schönen Werte-Worten.
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30. August 2021 at 22:25